In einer hellgelben bis rötlichen Farbgebung strahlen die Früchte im Spätsommer in einer übermächtigen Vielzahl von den schlanken Zweigen dem Betrachter entgegen. Sie scheinen regelrecht danach zu rufen, endlich verzehrt zu werden. Ob als Gartenobstbaum oder als Kübelpflanze auf der Terrasse oder dem Balkon, die 'Mirabelle von Nancy' gilt als die wertvollste und bekannteste Mirabellensorte überhaupt und lädt gern zum Naschen ihrer köstlich süßen Früchte ein. Diese können sowohl für den Frischverzehr als auch zum Backen, Einkochen und Schnapsbrennen verwendet werden. Neben ihren Früchten überzeugt diese Mirabelle ebenso mit ihrem kräftigen und fein verzweigten Wuchs sowie ihrem geringen Pflegeanspruch.
Wenn ein König von Asien nach Frankreich reist
Die 'Mirabelle von Nancy' gehört zur Familie der Rosengewächse und trägt viele Namen. Unter anderem wird sie zugleich als 'Mirabelle aus Nancy', 'Nancy Mirabelle', 'Doppelte Mirabelle' und 'Goldfarbige Pflaume' bezeichnet. Sie findet ihren Ursprung in Asien, wo sie aus 2 verschiedenen ursprünglichen Pflaumensorten hervorging. In Asien wurde sie vom französischen König Renè von Anjou im 15. Jahrhundert entdeckt und auf seiner Rückreise in seine Heimat Frankreich mitgeführt. In Frankreich wurde diese Sorte dann ab 1490 vermehrt angebaut. In Deutschland wurde sie um 1750 eingeführt und ganz Mitteleuropa eroberte sie schließlich Anfang des 20. Jahrhunderts. Mit ihrer Geschichte im Hinterkopf wird nachvollziehbar, weshalb sie in ihrem Namen die Bezeichnung einer französischen Stadt trägt. In der Stadt Nancy, die sich in Lothringen befindet, wird die 'Mirabelle von Nancy' seit langer Zeit angebaut und hat daher dort ebenso ein besonders hohes Vorkommen.
Stark, kräftig und dennoch feingliedrig
Das Wuchsverhalten ist selbst in der Strauch- und Buschform stark und kräftig. Anfangs nimmt er im Jahr zwischen 50 und 100 Zentimeter an Größe zu. Im Laufe der Zeit nimmt die Wuchsgeschwindigkeit zwar ab, erreicht als Busch jedoch immerhin eine Höhe von bis zu 5 Metern und eine Breite zwischen 2 und 4 Metern. Durchschnittlich wird die Mirabelle als Busch 300 Zentimeter hoch und 250 Zentimeter breit. Der Wuchs verläuft aufrecht und gut verzweigt, während die Krone breit und locker ausgebildet wird. Im Alter hängen einige Zweige über und der Wuchs wirkt attraktiv ausladend.
Die Wurzeln von Prunus 'Mirabelle von Nancy' bilden sich nicht nur recht flach im Boden aus, erhalten mit Hilfe einiger tiefer in das Erdreich wachsenden dennoch einen guten Halt. Aus ihnen ragt ein stabiler und verholzter Stamm an der Oberfläche empor, der eine braune und relativ tief gefurchte Rinde besitzt. Von ihm gehen viele Äste mit schlanken Zweigen aus. An den Zweigen befinden sich die vielen Blätter. Sie werden zwischen 3 und 8 Zentimeter lang und bis zu 5 Zentimeter breit. Ihre Form ist lanzettlich-eiförmig bis oval-elliptisch. Am Rand sind die einzelnen Blätter ganz fein und stumpf gezahnt, während sie zu ihrem Ende hin harmonisch zugespitzt verlaufen. Ihre Farbe liegt zwischen einem Mittel- und einem Grasgrün, während die Unterseite etwas heller gefärbt ist. Im Herbst verwandelt das Laubwerk sein Antlitz und nimmt eine gelbliche bis bräunliche Farbe an, bevor die Blätter zum Winter hin schließlich langsam abgeworfen werden.
Ein weißes Meer aus Blütenbüscheln
Bereits recht früh beginnt für die 'Mirabelle von Nancy' die Blütezeit. Sie erstreckt sich zwischen Anfang April bis etwa Ende April. In dieser Zeit öffnen sich aus den bräunlich-rötlich gefärbten Knospen die kurz gestielten, schalenförmigen Blüten. Sie sitzen je zu zweit oder dritt in Büscheln zusammen und weisen 5 nicht miteinander verwachsene Kronblätter auf. Die Kronblätter haben eine reinweiße Farbgebung und die filigranen Staubfäden in der Mitte weisen eine hellgelbe Farbe auf. Die Blüten erscheinen so zahlreich, dass es wirkt, als sei die gesamte Krone von wattebauschartigen Schneeflocken übersät. Ein wahrlich einzigartiger und willkommener Anblick im April, wenn viele andere Gewächse noch längst nicht blühen.
Kleine gelbrot leuchtende Sonnen
Ihren Höhepunkt erreiche die 'Mirabelle von Nancy' ab Mitte August, denn dann reifen ihre scheinbar unzähligen Früchte heran. Sie können von August bis Mitte September geerntet werden, je nachdem wie die klimatischen Bedingungen sind und die Wetterverhältnisse in den vergangenen Wochen auf die Früchte einwirkten. Die einzelnen Früchte sitzen an den bis zu 2 Zentimeter langen Stielen und sind zwischen 2 und 5 Zentimeter groß. Ihr Gewicht schwankt zwischen 7 und 11 Gramm. Damit können sowohl ihre Größe als auch ihr Gewicht mit denen von Süßkirschen verglichen werden. Ihre Form ist rundlich-oval und zum Stielende hin sind sie leicht abgeplattet. Ihre Schale ist relativ fest, glatt und weich und besitzt einen hellgelben Grundton. Zur Sonnenseite sind die Früchte rötlich gefleckt bis verwaschen. Mit dieser Farbgebung wirken sie wie kleine strahlende Sonnen und verleihen der 'Mirabelle von Nancy' einen höchst dekorativen Wert.
Doch wer liebt es schon, knackige und farbenfrohe Früchte bloß anzusehen? Die Augen werden immer größer und der Magen macht sich schon bald bemerkbar, denn er möchte gern in den Genuss dieser kleinen Köstlichkeiten kommen. Beim Verzehr tritt das feste goldgelbe Fruchtfleisch zutage und offenbart in der Mitte der Frucht einen kleinen Stein, der sich gut lösen lässt. Der Geschmack dieser Mirabellen ist angenehm süß, aromatisch und fruchtig. Nach der Vollreife sind sie ein wenig mehlig. Durch den hohen Traubenzuckergehalt scheint der darin enthaltene Zucker auf der Zunge regelrecht dahinzuschmelzen. Die vitaminreichen Mirabellen halten sich bis zu 6 Wochen und können neben dem Frischverzehr zum Backen von Kuchen, Einkochen von Konfitüre und Marmelade sowie zur Herstellung von Mirabellenbrand verwendet werden. Darüber hinaus lassen sie sich bestens trocknen und können selbst im Winter dann noch als Trockenobst genossen werden.
Die sonnige Seite des Lebens im Visier
Der ideale Standort ist für die 'Mirabelle von Nancy' meist schnell gefunden. Sie bevorzugt eine sonnige bis halbschattige Lage. Die Sonne liegt ihr grundsätzlich am Herzen und sie behält sie am liebsten im Auge. Weiterhin steht sie am liebsten warm und geschützt. Grundsätzlich gilt bei der Wahl des Standorts: Je sonniger der Standort ist, desto intensiver wird sich im Sommer der Geschmack der Früchte ausbilden. Ein schattiger Standort sollte bei diesem Baum nicht gewählt werden, denn an so einem fehlt es an Licht und Wärme, zwei Komponenten, die bedeutsam für die Entwicklung der Blüten und Früchte sind. So würde sich ein guter Standort zum Beispiel im Garten im Freiland, an einer Terrasse oder an einem Beet befinden. Dort kann diese Pflanze sowohl in Einzelstellung als auch in Gruppen gut zur Geltung kommen.
An den Boden stellt dieses Gewächs ebenfalls nur wenig Ansprüche. Da es sich hierbei meist um einen großen Busch oder kleinen Baum handelt, sollte der Boden tiefgründig genug sein, damit er seine Wurzeln gut ausbreiten kann. Weiterhin ist es vorteilhaft, einen lockeren und durchlässigen Boden auszuwählen. Solch eine Bodenbeschaffenheit verhindert bzw. vermindert die Gefahr für das Entstehen von Staunässe, die dem Wurzelwerk auf Dauer schaden kann. Des Weiteren zieht die 'Mirabelle von Nancy' einen humosen, nährstoffreichen und feuchten Boden vor. Wird ihr all dies zur Verfügung gestellt, so wird sie sich von ihrer ausgesprochen dankbaren Seite zeigen und eine Fülle an Früchten liefern.
Entgegenkommend und dankbar
Beim Anpflanzen der 'Doppelten Mirabelle' sollte beachtet werden, dass ihr genügend Platz zur Verfügung gestellt wird. Bei einer Gruppenpflanzung gilt es darauf zu achten, einen Abstand von mindestens 4 Metern zwischen den einzelnen Exemplaren einzuhalten, damit sie sich in ihrem Wuchs nicht gegenseitig behindern. Grundsätzlich kann das Pflanzen einer Containerpflanze ganzjährig erfolgen. Wichtige Voraussetzung ist allerdings, dass zu dieser Zeit kein Frost herrscht. Nachdem ein tiefes Erdloch ausgehoben wurde, wird die Erde darin etwas gelockert und der Wurzelballen wird in das Erdloch gesetzt. Beim Auffüllen mit Erde sollte beachtet werden, dass sich die Veredelungsstelle der Mirabelle frei über der Erde (etwa 5 bis 10 Zentimeter) befindet. Bei jungen Bäumen ist es ratsam, diese an einen Pfahl anzubinden, bis sie sich gut eingewurzelt und einen sicheren Halt verschafft haben.
Im Grunde benötigt die 'Mirabelle von Nancy' nur wenig Pflege. Der Zeitaufwand ist gering, da sie ebenso gut allein zurechtkommt. In längeren Trockenperioden und vor allem im ersten Jahr nach der Pflanzung sollte sie regelmäßig gewässert werden. Ansonsten ist das Gießen eher zweitrangig. Das Düngen sollte nur sparsam geschehen. Insbesondere im ersten Jahr ist es nicht notwendig, diesen Baum mit Dünger zu versorgen. Weiterhin ist es nicht erforderlich, diese Mirabelle mit einem Winterschutz zu versehen, denn sie ist robust, winterhart und kommt daher mit Frostperioden gut zurecht.
Mit ihren unwahrscheinlich aromatisch-süßen Früchten, die in einer überwältigenden Fülle erscheinen, überzeugt die 'Mirabelle von Nancy' schnell den Gaumen. Die Früchte sind nicht nur kulinarisch wertvoll, sondern stellen eine ansehnliche und farbenfrohe Zierde dar. Des Weiteren besticht diese Pflanze mit ihrem kräftigen und viel verzweigten Wuchs, dem im Herbst dekorativ gefärbtem Laubwerk und ihren reinweißen Blüten, die im Frühjahr einen herrlichen Duft ausströmen. Alles in allem ist Prunus 'Mirabelle von Nancy' ein robuster und pflegeleichter Baum, auf den ein Gärtner nur schweren Herzens wieder verzichten würde.